Berechnungen

Die Analyse des Verspätungsrisikos wird im Rahmen der fahrplanfeinen Umlegung nachgelagert durchgeführt. Es werden ganzzahlige Verspätungen in Sekunden betrachtet.

Ein Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f ist relevant für die Analyse, wenn seine Pünktlichkeitswahrscheinlichkeit echt kleiner Eins ist. Jedes relevante Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f wird separat betrachtet. Für die Analyse werden alle Verbindungen Vi∈V betrachtet, die nach diesem Fahrplanfahrt-Verlauf-Element einen Umstieg oder einen Ziel-Ausstieg haben.

Verspätungssituationen ermitteln

Für jedes Fahrtplanfahrt-Verlauf-Element f werden seine Verspätungssituationen ermittelt. Eine Verspätungssituation ist ein Intervall d, für das sich aus allen Verspätungen von f in d dieselben Auswirkungen für den späteren Verlauf der Verbindungen ergeben. Die Eintrittswahrscheinlichkeit P einer Verspätungssituation d ergibt sich aus den Intervallgrenzen durch Anwenden der Exponentialverteilung mit dem Parameter λ multipliziert mit der Verspätungswahrscheinlichkeit.

P(Verspätungsrisiko d tritt ein) = P(Ankunft in d = [a,b]) =

Um die Verspätungssituationen eines Fahrplanfahrt-Verlauf-Elements f zu berechnen wird ein Suchbaum erstellt. Hierzu werden die Umstiege betrachtet, welche auf f folgen. Die Umstiege nach f haben eine Wartezeit. Ist f weniger oder genauso viel wie die Wartezeit verspätet, kann der Umstieg noch realisiert werden. Ist f mehr verspätet, wird der Umstieg verpasst. Seien w1, w2,..,wj die verschiedenen Wartezeiten der Umstiege uk von f zu den verschiedenen Fahrplanfahrt-Verläufen aller Verbindungen Vi die f enthalten in aufsteigender Reihenfolge. Dann ist das Intervall d1= (0,w1] die Verspätungssituation von f, bei der kein Umstieg verpasst wird. Für eine Verspätung w1+1 wird mindestens einer der Umstiege verpasst. Für alle betroffenen Verbindungen werden dann ab f Alternativverbindungen mit Hilfe der Branch and Bound Suche gesucht, sodass der Fahrgast entweder in f sitzen bleibt, oder in eine später abfahrende Fahrt umsteigt oder zum Zielbezirk läuft. In jedem Fall ändert sich die Ankunftszeit der Verbindung am Zielbezirk um eine Zeitdauer ∆t. Diese Änderung der Ankunftszeit hängt von den Ankünften der gefundenen Alternativen ab. Für die Alternativverbindungen gibt es ebenfalls eine minimale Wartezeit w‘2, um die f verspätet sein kann, ohne dass einer der neuen Umstiege verpasst wird. Daraus ergibt sich die Verspätungssituation d2 = (w1,min(w2,w‘2)] für das betrachtete Fahrplanfahrt-Verlauf-Element. So können durch Suchen von Alternativverbindungen bei verpassten Anschlüssen sukzessive alle relevanten Verspätungssituationen D berechnet werden. Wird die maximale Verspätung tmax überschritten, wird die Suche beendet.

Abbildung 169: Verspätungssituationen mit Wartezeit

Im Folgenden wird Abbildung 169 beschrieben: Für das betrachtete Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f sind die Wartezeiten wi für die Umstiege an der Haltestelle Station dargestellt zusammen mit den sich ergebenden Verspätungssituationen di. Alle Verbindungen, die f enthalten beginnen in A-Village und enden in X-City.

  • d1=(0,w1] In diesem Intervall kann der Anschluss Fahrplanfahrt 2 Train noch erreicht werden.
  • Wird der erste Anschluss verpasst wird die Alternativverbindung mit einer Weiterfahrt bis B-Village und einem dortigen Umstieg gefunden. Diese kann erreicht werden bis zur Verspätung von f.
  • Ab einer Verspätung von lohnt es sich wieder in der Station umzusteigen und die Fahrplanfahrt 3 Train zu nehmen. Dieser Anschluss wird bis zu einer Verspätung von w1+w2 erreicht.
  • In dieser Verspätungssituation lohnt es sich wieder an der Station umzusteigen in die Fahrplanfahrt 4 Train um am Frühesten in X-City anzukommen.
Berechnung des Verspätungsrisikos
a) An Verbindungen und ihren Umstiegen

Auf den gefundenen Alternativverbindungen einer Verspätungssituation wird eine Wahl gerechnet, sodass diese eine Belastung zugewiesen bekommen. Daraus wird je Verbindung und Verspätungssituation die Reisezeitveränderung ∆t als gewichtetes Mittel aus den Belastungen der Alternativen sowie deren Reisezeitveränderung berechnet. Wurden für eine Verspätungssituation d keine Alternativverbindungen gefunden, wird für ∆t der Eingabeparameter der angenommenen Reisezeitverlängerung ̅ bei nicht gefundener Alternativverbindung gesetzt.

Das Risiko eines Umstiegs u nach dem Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f einer Verbindung V ergibt sich dann aus dem Produkt von „Wahrscheinlichkeit der Verspätungssituation“ und der daraus resultierenden „Reisezeitverlängerung“.

In das Risiko geht zusätzlich auch ein Term ε ein, der die Verspätung für nicht mehr untersuchte Verspätungssituationen repräsentiert. Dafür wird das Maximum über alle möglichen Verspätungen und dem Erwartungswert mit der restlichen Eintrittswahrscheinlichkeit multipliziert. Da diese Berechnung nur eine grobe Abschätzung ist, sollten die Abbruchbedingungen nicht zu streng gesetzt werden. Demnach sollte unter anderem die maximal analysierte Verspätung tmax nicht zu klein gewählt werden.

b) Am Zielausstieg

Die Ankunftszeit der Verbindungen ändert sich nicht nur für die Fahrgäste, die nach einem Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f umsteigen, sondern auch für die Fahrgäste, die nach f aussteigen und von dort zum Zielbezirk laufen. Eine Suche nach Alternativverbindungen entfällt hier. Ihre Reisezeitveränderung entspricht immer genau der Verspätung von f. Das Risiko für einen Zielausstieg a nach f einer Verbindung V ergibt sich daher aus:

Aus der Summe der Risiken aller Verbindungen, die diesen Zielausstieg nutzen, multipliziert mit der Belastung der jeweiligen Verbindung ergibt sich das Gesamtverspätungsrisiko eines Zielausstiegs Ra.

Um das Risiko für Umstieg oder Zielausstieg pro Person zu erhalten, wird jeweils durch die Summe der Gesamtbelastungen aller betroffenen Verbindungen geteilt.

c) Verspätungsrisiko von Verbindungen

Das Verspätungsrisiko pro Person einer Verbindung wird als Summe über alle darin vorkommenden Umstiege sowie das Verspätungsrisiko am Zielausstieg berechnet.

Das Gesamtverspätungsrisiko ergibt sich daraus durch Multiplikation mit der Gesamtbelastung der Verbindung.

d) Verspätungsrisiko von Umstiegen

Das Gesamtverspätungsrisiko eines Umstiegs u von Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f nach Fahrplanfahrt-Verlauf-Element e kann berechnet werden, indem über alle Verbindungen summiert wird, die den Umstieg u enthalten, multipliziert mit der Belastung der jeweiligen Verbindung.

Anteile der Personenfahrten mit einer relevanten Verspätung
a) relevante Verspätung einer Verbindung

Der Anteil der Reisenden AVfu mit relevanter Verspätung einer Verbindung V nach dem Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f am Umstieg u wird wie folgt berechnet:

Der Anteil der Personenfahrten mit einer relevanten Verspätung AVfa, die nach f ihren Zielausstieg haben, ist invers zu der Wahrscheinlichkeit, dass f später als die relevante Verspätungszeit ankommt:

Eine Verbindung V ist dann relevant verspätet, wenn sie mindestens ein Fahrplanfahrt-Verlauf-Element enthält, dessen Verspätung an einem Umstieg oder Zielausstieg zu einer relevanten Verspätung der Verbindung führt. Der Anteil verspäteter Personenfahrten AV ist also invers zu dem Anteil, bei dem in keinem der Umstiege beziehungsweise Zielausstiege eine relevante Verspätung auftritt.

b) relevante Verspätung eines Umstiegs

Der Anteil der Personenfahrten mit relevanter Verspätung eines Umstiegs u wird als gewichtetes Mittel über die Einzelwerte der Verbindungen berechnet, die diesen Umstieg enthalten.

Personenfahrten mit einer relevanten Verspätung

Um die absolut verspäteten Personenfahrten zu erhalten werden die Anteile der verspäteten Personenfahrten mit der Belastung des jeweiligen Elements multipliziert (Verbindung, Umstieg, Ausstieg).

Einfluss von geplanten Anschlüssen auf die Verspätungssituationen

Im Betrieb eines Fahrplans werden meist mehr Anschlüsse realisiert, als durch die Verspätungsanalyse mit Visum berechnet. Dies liegt daran, dass Anschlussverbindungen auf eine vorherige Verbindung warten. Dieses Verhalten kann durch das Anlegen von geplanten Anschlüssen modelliert werden (Anwendung: Geplante Anschlüsse verwalten). Geplante Anschlüsse können zwischen zwei Fahrplanfahrt-Verlauf-Elementen angelegt werden, die zeitlich nacheinander stattfinden. Ein geplanter Anschluss benötigt eine maximale Wartezeit auf das vorherige Fahrplanfahrt-Verlauf-Element oder eine Anschlusswahrscheinlichkeit. Mit diesen Parametern werden dann die Wahrscheinlichkeiten der Verspätungssituationen angepasst.

Sind die Verspätungssituationen d1,…,dn für das Fahrplanfahrt-Verlauf-Element f ermittelt und es sind Anschlusswahrscheinlichkeiten oder maximale Wartezeiten der betrachteten Anschlüsse gegeben, werden diese in einem zweiten Schritt berücksichtigt. In diesen Fällen müssen die Verspätungssituationen angepasst werden, da Anschlüsse auch noch nach ihrer geplanten Abfahrt erreicht werden können.

Sei für einen Anschluss zwischen den Fahrplanfahrt-Verlauf-Elementen f und g eine Anschlusswahrscheinlichkeit Preach gegeben. Dann muss die Eintrittswahrscheinlichkeit der Verspätungssituationen überprüft und gegebenenfalls angepasst werden. Für alle Verspätungssituationen d1,…,dk, deren Wahrscheinlichkeiten zusammen kleiner gleich der Anschlusswahrscheinlichkeit Preach ist, werden diese auf Null gesetzt und 〖P(d〗_1) wird auf P_reach erhöht. Dieses Vorgehen spiegelt wieder, dass es durch das Warten des geplanten Anschlusses wahrscheinlicher ist diesen doch zu erreichen und somit ohne Verspätung anzukommen. Die Verspätungssituationen d2,…,dk haben zusammen mit P(d1) eine kleinere Eintrittswahrscheinlichkeit als die Anschlusswahrscheinlichkeit und können daher nicht eintreten. Gibt es eine Verspätungssituation dk für die gilt P(d1)+P(d2)+⋯+P(dk-1) < Preach und P(d1)+P(d2)+⋯+P(dk) > Preach, dann wird die Eintrittswahrscheinlichkeit entsprechend P(dk) reduziert. Ein Beispiel für diese Anpassung der Wahrscheinlichkeiten ist in Tabelle 195 gegeben, basierend auf dem Anschluss aus Abbildung 169. Ist anstatt der Anschlusswahrscheinlichkeit eine maximale Wartezeit für den geplanten Anschluss gegeben, wird diese daraus berechnet. Dafür wird die Exponentialverteilung des ankommenden Fahrplanfahrt-Verlauf-Elements verwendet.

Sind für einen geplanten Anschluss eine Anschlusswahrscheinlichkeit und eine maximale Wartezeit gegeben, geht nur die Anschlusswahrscheinlichkeit in die Berechnung ein.

Verspätungssituation d1

d1

d2

d3

d4

d5

Eintrittswahrscheinlichkeit P(di)

0,3

0,1

0,1

0,05

0,05

Neue berechnete Eintrittswahrscheinlichkeiten mit der Anschlusswahrscheinlichkeit Preach = 0,45

0,45

0

0,05

0,05

0,05

Tabelle 195: Anpassung der Anschlusswahrscheinlichkeiten der Verspätungssituationen des geplanten Anschlusses von f nach Fahrplanfahrt 3 aus Abbildung 169